Die Costa Blanca , jenes gut 180 Kilometer langen Küstenstreifens, der knapp südlich von Valencia beginnt und 100 Kilometer südlich von Alicante endet. Nur stehen nun nicht mehr allein die hellen Strände im Mittelpunkt. Mehr als je zuvor geht es ums Entdecken oder die Kombi: unten baden und einkaufen, oben wohnen. Denn die Küstenberge haben etwas, das kaum zu bezahlen ist: diese grandiose Aussicht auf das breite Band in Dunkelblau, diesen unschlagbaren Logenblick über Pinienwälder und winzige Dörfer, aus denen noch niemand den Alltag herausrenoviert hat. Sie stehen für Rückzug und das gewachsene Bedürfnis nach Individualität – und dafür, in zehn, zwanzig Autominuten mittendrin im Sommerrummel sein zu können – so man es denn überhaupt will. Pflanzen, Berge, Böden In winzigen Siedlungen wie Vall de Gallinera bei Pego eröffnen immer mehr “Casas Rurales” in stillgelegten Ölmühlen, in einstigen Bauernhäusern, in Sichtweite längst verlassener und oft dem Verfall ausgelieferter maurischer Festungen. Fincas oberhalb der vielen Orangenplantagen werden als Ferienhäuser vermietet – mit allem Drum und Dran. Auf dem eigenen Grill brutzeln frische Doraden Seite an Seite mit knallroten Gambas de Dénia, Ausbeute einer vormittäglichen Einkaufsfahrt zur Markthalle in der Küstenstadt Dénia. Dazu gibt es Wein aus der Bodega Mendoza in Alfaz del Pi in 30 Autominuten Entfernung: “Das Geheimnis sind Pflanzen, Berge, Böden – nicht Fässer, Etikettiermaschinen und Keller. Behälter und Geräte kannst du im Großhandel kaufen, aber deine Böden musst du genau auswählen”, sagt Winzer Pepe Mendoza. Er ist es, der gemeinsam mit seinem Vater Enrique die einst als Anbaugebiet belächelte Region zu Auszeichnungen geführt hat. Zauberer, Entdecker Überhaupt etabliert sich die Küste als sicherer Hafen für Feinschmecker – auch weil Spitzenköche wie Quique Dacosta, mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneter Zauberer, in Dénia und Umgebung Restaurants führen. Ferienhausmieter gehen gerne gut essen, aber mehr noch begeben sie sich auf Entdeckungsreise in den Märkten und den Geschäften der Region und kaufen frische Zutaten ein, weil sie selbst kochen. Sie suchen nach dem besten Jamon Ibericó zur Melone, nach Käse aus Schafsrohmilch im Dorf, fragen bei der Imkerfamilie Noguera in Llosa de Xamacho nach dem Miel del Azahar – Orangenblütenhonig. Oder sie entdecken die Marmeladen von Jordi Aracil an der Landstraße bei Confrides. Er hatte keine Lust mehr auf die vielen Abende am Herd seines Restaurants, hat es kurzerhand zugemacht und kocht dort nun Paradeiser-, Zwiebel- oder Zitrone-Zuckerrohr-Marmelade, wann immer es zeitlich gerade passt. Das alles zu kosten, das hat rein gar nichts mit dem Massentourismus vergangener Tage zu tun. Das hat Zauber, verbunden mit Entdeckerfreude und dem Spaß, etwas daraus zu machen. Auch weil man sich beim Kochen so fühlt, als gehöre man schon immer hierher, als gehöre man dazu: beim Essen, beim Schmecken und beim Riechen – beim Durchatmen. Und weil hier plötzlich alles so spanisch ist, wie man es gar nicht mehr für möglich gehalten hätte.